Die Hoffnung ist wie ein Sonnenstrahl,
der in ein trauriges Herz dringt.
Öffne es weit und lass sie hinein.
Friedrich Hebbel

Lübeck sehen und sterben: Bestatter sollen Tourismusabgabe zahlen

Bestatter müssen nicht nur ständig steigende Kosten für Amts- und Friedhofsgebühren an ihre Kunden weitergeben, in Lübeck sollen sie künftig eine Tourismusabgabe bezahlen, weil Menschen ja dort im Urlaub sterben würden. Ein Aprilscherz? Leider nein.

Zum Hintergrund: Die generell als eher finanzschwach bekannte Hansestadt Lübeck möchte den Haushalt entlasten, indem sie „als Gegenleistung für besondere Vorteile aus der gemeindlichen Tourismusförderung“ eine neue Tourismusabgabe für alle Unternehmen einführt, die mittelbar oder unmittelbar wirtschaftliche Vorteile aus dem Tourismus ziehen. Die Gesetzesvorlage dazu wurde kürzlich veröffentlicht und soll in naher Zukunft verabschiedet werden. Wer dabei nur an tourismusnahe Betriebe wie Hotels, Bootsverleiher oder Stadtführer und vielleicht noch Einzelhändler und Gastronomiebetriebe denkt, irrt sich gewaltig. Die in der Anlage 1 zur Satzung veröffentlichte Liste der in unterschiedlicher Höhe Abgabepflichtigen bescheinigt sogar Bestattungsunternehmen florierende Geschäfte durch zufällig in der Hansestadt verscheidende Urlaubsgäste.

Womöglich haben die Macher dieses Entwurfs keine Kenntnis davon, dass Verstorbene in der Regel in ihrer Heimat bestattet und zu diesem Zweck sogar weltweit überführt werden? Allerdings ist auch bei anderen Unternehmen und Dienstleistern selbst ein mittelbarer Vorteil nur schwerlich zu erkennen, denn normalerweise suchen Touristen an ihrem Urlaubsort auch keinen Schornsteinfeger, Schädlingsbekämpfer, Umzugsunternehmer, Grafik-Designer, Dachdecker, Steuerberater oder gar einen Waffenhändler (!) auf, um nur ein paar der vielen laut Liste mitbetroffenen Berufsgruppen zu nennen. Die Ausweitung der Abgabepflicht auf nahezu alle Lübecker Unternehmen ist allerdings nur der eine Teil des Irrsinns:

Die Berechnung der Abgabe wird ein Kinderspiel

Wenn man davon ausgeht, dass die Bürgerschaft diesem Vorschlag tatsächlich zustimmt und die neue Verordnung zum 1.1.2017 in Kraft tritt, geht also in so ziemlich jedem Betrieb der Hansestadt ein kühler Rechner an den Start. Die Berechnung laut § 4 der Satzung ist denkbar einfach: „(1) Die Abgabe wird nach dem Vorteil bemessen, der dem Abgabenpflichtigen durch den Tourismus im Gebiet der Hansestadt Lübeck geboten wird. Der Vorteil ergibt sich aus der typischen Ertragsmöglichkeit bei der Tätigkeit, die zur Verwirklichung des Abgabengegenstandes führt. Die typische Ertragsmöglichkeit ergibt sich aus dem Messbetrag. Der Messbetrag errechnet sich aus dem typischen tourismusbedingten Teil (Absatz 2) des umsatzsteuerbereinigten jährlichen Umsatzes des Abgabepflichtigen, multipliziert mit dem durchschnittlichen Gewinnanteil (Absatz 3) an den Umsätzen der einzelnen Unternehmensart.“

Für den tourismusbedingten Teil des Umsatzes multipliziert man einfach den umsatzsteuerbereinigten Umsatz mit dem für den jeweiligen Betriebstyp und die Lage des Betriebes maßgeblichen Vorteilssatz nach Anlage 1 zur Satzung. Klingt kompliziert, ist es aber bestimmt gar nicht. Und hat man den Messbetrag erst einmal raus, ist der Rest kinderleicht: Der Abgabesatz beträgt dann generell 2,43 % des Messbetrages. Wahrscheinlich wird jeder pflichtbewusst seinen Schuldteil überweisen und es vermeiden, laut § 8 der Satzung Ordnungswidrigkeiten durch Unterlassungen, Unvollständigkeiten, Fristversäumnisse und dergleichen zu begehen, oder gar Belege auszustellen, „die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind“. Vielleicht wird es aber auch mittelfristig einen ungewöhnlichen und aus Sicht der Städteplaner selbstverständlich vollkommen unvorhersehbaren Unternehmensschwund in Lübeck geben, weil Geschäftsleute dort einfach nicht mehr auf ihre Kosten kommen, sozusagen. Die Frage ist nur, wer dann Lübeck bestatten soll, wenn es soweit ist.

Cathrin Gawlista

Foto: www.pixabay.com

Quelle: http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=109228

Zitierter Satzungstext zur Tourismusabgabe:
http://www.luebeck.de/stadt_politik/buergerinfo/bi/___tmp/tmp/45081036496656296/496656296/01069705/05-Anlagen/02/2016-08-25Satzungstext_abgestimmt.pdf

Anlage 1 zur Satzung:
http://www.luebeck.de/stadt_politik/buergerinfo/bi/___tmp/tmp/45081036496656296/496656296/01069705/05-Anlagen/03/2016-09-01-Anlage1zurSatzung.pdf

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